Die romanische Gesamtanlage "Kloster Wettenhausen", wie sie im Hochmittelalter bestanden hat, kennen wir nicht. Die erste bildliche Darstellung haben wir im sogenannten Stifterbild von 1673. Es handelt sich um die Kopie eines Freskos von Martin Schaffner (um1478/79-1546/49), das der Ulmer Meister 1532 an die linke Wand des neu errichteten gotischen Chors gemalt hat. Bevor diese wichtige historische Aussage durch die Barockisierung verschwinden sollte, hat man sie 1673 auf Leinwand übertragen und damit zu einem Gemälde umgewidmet. Dieses gibt das Aussehen von Kloster Wettenhausen von 1523 und der folgenden Zeit wieder. Die Darstellung dieser Klosteranlage verrät uns, dass neben den romanischen Teilen auch gotischem, sogar spätgotische Elemente vertreten waren.
Unter Propst Ulrich I. Hieber (1505-1532) erfolgte an der Kirche ein maßgeblicher Neubau, indem zuerst der romanische Turm und darauf auch der romanische Chor abgebrochen wurden. Die Begründung für diese einschneidende Baumaßnahme gibt uns die lateinische Inschrift des Hieber-Grabmals - befindlich in der Kirche an der Wand vor dem vorderen linken Seitenaltar. Übersetzt lautet sie etwa: "Ulrich, Propst dieses sehr würdigen Klosters, das schon einzustürzen drohte, (und dessen) Erneuerer...". 1523 war dieser spätgotische Bau fertiggestellt, sodass nun Turm und Chor mächtig in den harmonisch aufwärts strebenden Formen der Gotik emporragen und das romanische Langhaus schier unter sich verschwinden lassen.
Erst anfangs des 17. Jahrhunderts erfolgte an der Anlage wieder ein Um- und Neubau größeren Ausmaßes. Es ist hauptsächlich die Zeit des Prälaten Jakob Flexle (1605-1628) - inzwischen zum Reichsfürsten aufgestiegen - in der etwa von 1607 bis 1616 der neue Ostflügel, einschließlich des zweiten Turms, entstanden ist.
Im Stil der Spätrenaissance wurden nun, südlich anschließend an den Chor, ein mächtiger, horizontal gelagerter Baublock errichtet, der aber zusätzlich durch vertikale Elemente - die Türme und den Giebel - gegliedert ist.
Auch über dieses neue Aussehen der Klosteranlage gibt uns eine bildliche Darstellung Aufschluss. Wir finden sie auf dem Altarblatt im Kapitelsaal. Dieses Bild - sicher nicht vor 1616 entstanden - beinhaltet einen "zeitlichen Rückgriff", indem der Kirchturm noch mit einer gotischen Helmspitze wiedergegeben ist. Sie ist jedoch bereits 1612 nach einem Sturmschaden in frühbarocker Form ersetzt worden. Über dem gotischen Unterbau errichtete man, wie noch heute zu sehen, in betont moderner Manier einen achteckigen Aufsatz mit Zwiebelbekrönung. Wettenhausen war damit zum bauliche Vorbild der Region geworden - dieses Architekturmodell prägte die Landschaft wie kein anderes.
In den Jahren nach 1616 wird man die Bauarbeiten fortgesetzt haben. Anstelle der auf dem Gemälde im Kapitelsaal noch erkennbaren mittelalterlichen Bausubstanz wird der heutige Südflügel im Rechteck anschließend an den Ostbau in gleicher Höhe aufgeführt worden sein. Nun bedurfte es noch der Errichtung eines neuen Westtrakts, um das Geviert des Kreuzgangs in fortschrittlicher Bauweise zu schließen. Es ist ein niedrigerer Baukörper, der hier die Verbindung zwischen Kloster und Kirche herstellt. Das Besondere an ihm wird die Pfeilerhalle dargestellt haben, die dem westlichen Kreuzgangflügel vorgelagert war. Diese ist heute geschlossen, wir wissen nicht, wann dies geschah.
Frühbarocke Bauten also umstellen den ursprünglich romanischen Kreuzgang und sind gleichzeitig auf diese alten Fundamente gegründet. In diesem baulichen Zusammenhang wird man auch die wichtige klösterliche Räumlichkeit, den Kreuzgang - nun schon in frühbarocker Ausführung - umgestaltet haben. Sehr wahrscheinlich dürfte es aber nicht mehr zur Stuckierung des Kreuzgangs gekommen sein. Mit voller Wucht brachen 1632 über die Region die Wirren und Schrecken des Dreißigjährigen Krieges herein. Die Bautätigkeit im Kloster Wettenhausen fand so ein abruptes Ende.
Erst unter der Regierung von Prälat Dionys von Rehlingen (1658-1692) konnten die Augustinerchorherren das Bauen an ihrer Klosteranlage wieder aufnehmen. Die schlimmen Kriegszerstörungen waren es, die Prälat Dionys von Rehlingen veranlassten, sogar einen Kirchenneubau zu wagen. 1669 wurde das romanische Langhaus abgebrochen und 1670 der Grundstein für den frühbarocken Neubau gelegt. Als Baumeister hatte der Reichsprälat den bedeutenden Vorarlberger Michael Thumb (1640-1690) gewinnen können. Damit stand ihm der beste Mann seiner Zeit zur Verfügung. Es ist ein mächtig hochgezogenes Langhaus, 1683 fertiggestellt, das mit Turm und Chor und dem nach Süden hin sich anschließenden Ostflügel eine selten harmonische Einheit bildet.
Dieser Eindruck wird noch durch die Verlängerung des Ostflügels nach Süden hin verstärkt. Sehr wahrscheinlich hat der tatkräftige Dionys bereits in seinen frühen Wettenhauser Jahren an den zweiten Turm eine weitere Partie - in den bereits eingeführten Formen - anfügen lassen, die durch einen dritten Turm abgeschlossen wird. Auch den Südflügel ließ Prälat Dionys in gleicher Höhe nach Westen hin erweitern.
Der Baumeister war wiederum der Vorarlberger Michael Thumb. Nun ist bereits die Fassadengestaltung eine aufwendigere - vor allem die der nach Süden hin gerichteten Schauseite. Dieser westliche Südflügel diente ja vorrangig dazu, Gäste standesgemäß zu empfangen und zu betreuen. Als Reichsfürstentum sah man sich dazu verpflichtet.
Schließlich erfolgte noch unter dem Rehlinger Prälaten der nach Süden hin mittige Anbau der Prälatur an den Südflügel. Am "Prospekt des Dionys von Rehlingen", einem Gemälde - vor dem Eingang zum Kaisersaal befindlich - das dessen gewaltige Aufbauleistung dem Betrachter vor Augen führen will, etwa um 1680 in Auftrag gegeben, fehlt noch der Prälaturbau. Dieser ist am Giebel mit der Jahreszahl 1690 versehen, sicher dem Datum seiner Fertigstellung. Unter Prälat Dionys hat sich das Erscheinungsbild der Wettenhauser Klosteranlage in seiner reichen Figuration somit ganz wesentlich verändert.
Unter dem Nachfolger des Dionys, Prälat Friedrich I. Vogel (1692-1704), wurde dem Südflügel nach Westen hin - fast bis zur Umfassungsmauer reichend - eine weitere Verlängerung im Sinne des Weiterbaus hinzugefügt.
Etwa 1694, also ganz am Ende des 17. Jahrhunderts, zeigte sich Kloster Wettenhausen in seinem Baubestand voll ausgebildet. Und weil es im 18. Jahrhundert keine größeren Bauintentionen hegte, kann es als Sonderfall unter den Prälatenklöstern gelten.
Ein 1759 veröffentlichter Stich zeigt unter dem Porträt des Prälaten Augustin Bauhof (1755-1776) die Vogelschauansicht des Klosters von Osten gesehen. Sehr detailliert beschreibt sie jedes einzelne Gebäude.
Der einzige Zugang ins Klosterareal erfolgt durch ein Torgebäude im Westen. Eine mit Rundtürmen bewehrte Klostermauer umschliesst die Anlage und die Konventgärten jenseits der Kammel. Die Gärten sind durch eine Brücke in der Achse des Ostflügel-Treppenhauses erreichbar. Eine weitere Brücke verbindet den Wirtschaftshof mit dem Sägereihof. Die Klosterlandschaft verändert sich im 18. Jahrhundert nicht mehr und ist, wie im Stich von 1759 beschrieben und im hier dokumentierten Lageplan dargestellt, im wesentlichen schon um 1690 in dieser Form gebaut.
Das Gotteshaus überragt auch die klösterlichen Hauptgebäude. Seine Dominanz blieb über all die Jahrhunderte hinweg erhalten. Sie wurde im 17. Jahrhundert durch das neu errichtete frühbarocke Langhaus einerseits noch gesteigert, andererseits vermindert durch die Entstehung des lang hingezogenen Ostflügels im Spätrenaissance-Gewand - der Wohnung der Chorherren -, des frühbarocken Südflügels als Gästetrakt und der hochbarocken Prälatur, nach Süden zu dem Südflügel vorgelagert. Es sind dies stattliche Bauten mit wichtiger Funktion. Diesen Haupttrakten schließen sich niedriger Bauten an oder umgeben sie.
1802 ereilte auch das Prälatenkloster Wettenhausen das Schicksal der Säkularisation und der bayrische Kurfürst nimmt das Reichsstift Wettenhausen in seinen Besitz. 5400 Untertanen erhalten eine neue Herrschaft. Der Reichsprälat Friedrich II. Raab, der seit 1788 regiert, und die 30 Chorherren erhalten Pensionen. Der letzte Konventuale der Gruppe, die in Wettenhausen verbleiben, stirbt 1825.
Die Klosterkirche, nun im Besitz Bayerns, bleibt Pfarrkirche. Der restliche Besitz wird versteigert. Durch Zufall wird von einem Kunstkenner der Wert der vorreformatorischen Altarblätter des Wandelaltars von Martin Schaffner bemerkt, sie entgehen wie die wertvolleren Bücher der Bibliothek den Versteigerungen. Die Konventgebäude finden keinen Käufer, entgehen aber dem sonst üblichen Abbruch und werden mit diversen Neunutzungen belegt, welche bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Unterhalts wichtige Räume zerstören. So wird der Kaisersaal als Getreidespeicher mit Zwischenböden unterteilt, die ausgeräumte Bibliothek ist Wäscheraum und das Refektorium wird als Schweinestall genutzt.
Der bayerische Staat gestaltet nun mit den ihm zugefallenen klösterlichen Bauten nach seinen Interessen. Und diese bestanden vielfach in dem Bestreben, möglichst viel abzubrechen, um die ungeheure Menge an Gebäuden, die man übernommen hatte, zu reduzieren. Die nachfolgenden Grafiken führen uns die Verluste eindrucksvoll vor Augen.
In Wettenhausen ist wohl der größere Teil der Klosteranlage samt Kirche erhalten geblieben, jedoch hat rigoroser Abbruch einzelner Partien das klösterliche Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt. Insbesondere der Abriss des Eingangstors und der Umfassungsmauer hat die Anlage des Klosters im negativen Sinn stark verändert.
Eine Wende bringt das Jahr 1865. Augsburger Dominikanerinnen ziehen ein und nutzen die Räume wieder als Kloster, verbunden mit einer Lehrerinnenbildungsanstalt. Sie betreiben auch die Klosterökonomie, deren Gebäude vielfach umgebaut werden. 1875 wird das Klostertor, 1884 der Südflügel des Wirtschaftshofes neu gebaut.
Es war schließlich den Schwestern innerhalb von mehreren Jahrzehnten gelungen, den gesamten Klosterbereich wieder zu umfrieden. Sie errichteten eine Umfassungsmauer und sogar ein Eingangstor im neubarocken Stil. Dabei wurde die Einfahrt in den Klosterhof an die Südwest-Ecke verlegt, und der Kirchweg führte jetzt durch den ehemaligen Prälatengarten und verlief somit nördlich des einstigen Gästebaus. Im Laufe der Jahrzehnte kamen im klösterlichen Bereich neue Bauten dazu - sowohl schulischen als auch wirtschaftlichen Belangen dienend. Den Dominikanerinnen ist es aber insgesamt gelungen, die wichtigen Hauptgebäude unversehrt in die Gegenwart zu retten und sie mit viel Aufwand sachgemäß zu restaurieren.
Die Darstellung von Kloster Wettenhausen auf einem Stich, etwa um 1900 bei Benoit in Paris in Auftrag gegeben, vermittelt uns das damalige Aussehen der dominikanischen Anlage. Überdies, eingebettet in eine idyllische Natur, zeigen sich Kloster und Dorf stark bevölkert. So als wollten die Schwestern auf diese Weise signalisieren: Wir haben Wettenhausen wiederbelebt.